Alexander Kobler

Corona und das Abenteuer "vor der Haustüre"

Corona und das Abenteuer "vor der Haustüre" | Hammer Tackle

Eigentlich fängt die Geschichte viel früher an. Anfang März, Prä-Corona, in Südfrankreich, mit einem frisch ausgebauten Bus und richtig Bock auf eine Tour durch Europa. Bis zum Morgen des 17. März, als mir beim frühmorgendlichen Spaziergang die stinkenden Innereien eines Müllsacks aufs sonst so heitere Gemüt schlugen. Den großen, blauen Plastiksack – augenscheinlich von Karpfenanglern stehen gelassen – hatte ein Fuchs zerrissen und am Ufer verteilt. Dosen, feuchte Toilettentücher und verdorbene Lebensmittel auf dem frühlingshaft zarten Land. Doch wirklich schlecht wurde meine Laune durch etwas anderes. Es war genau halb Zwölf, als ein Polizeiauto heranfuhr und zwei Cops mit Mundschutz zielsicher auf mich zustrebten. Sie waren unfreundlich und machten mir kurz und bündig verständlich, dass ich noch eine halbe Stunde hatte, um zu verschwinden und mich in Quarantäne zu begeben. Was folgte war ein surreales Versteckspiel.

Ende April traute ich mich wieder zurück nach Deutschland, einfach, weil ich es nicht mehr aushielt, ständig auf der Flucht zu sein. Zurückkehren in die Gesellschaft war für mich schon immer etwas befremdlich, doch dieses Mal sollte wirklich alles toppen. Allgemeine Angst und Verunsicherung, Menschen, die auch beim Radfahren einen Mundschutz trugen und ein in Corona-Gläubige und -Ungläubige gespaltenes Volk. Die Normalität war abhanden gekommen. Immerhin durfte man in Deutschland noch raus in die Natur wann man wollte. So lebte ich in der Natur wieder „legal“, wenn auch mit Mundschutz.

Bloß wie befriedigte ich meinen Abenteuertrieb in Deutschland? Auf überlaufene Baggerseen hatte ich keinen Bock. Gastkarten gab es wegen Corona außerdem sowieso keine. Dann meldete sich Jakob mit frischem Elan und der Idee eines gemeinsamen Trips an einen großen deutschen Fluss. Kraut, wilde Fische und das im Herzen von Jakobs Heimat, dem Breisgau. Es dauerte nicht lang, bis unser Feuer, gemeinsam zu entdecken, geweckt war. Das Wetter war herrlich und wir waren frei wie die Maikäfer.

Der Dämpfer kam früh. Beim Erkunden mit dem Schlauchboot wirkten die flachen, teils steinigen, teils verkrauteten Bereiche wie tot. Kein Karpfen, weder Weißfisch noch Grundel, nicht ein Lebenszeichen. Dazu klebte ein dicker, schmieriger Algenteppich auf Grund und Kraut. Im Flachwasser war schon wochenlang nichts mehr aktiv gewesen. Es sprang auch rein gar nichts über den tieferen Bereichen. Also wechselten wir das Teilstück und erkundeten aufs Neue. Schnell sahen wir ein paar relativ frische Spuren in den flachen Bereichen und wie aus dem Nichts sogar zwei, drei kleine Schuppenkarpfen. Ziemlich klein und wahrscheinlich nicht mal fünf Kilo groß: Trotzdem wollten wir unser Glück versuchen.

Am zweiten Morgen kam uns Guido für eine Nacht besuchen. Der Kumpel von Jakob und Deutschfranzose (oder Franco-allemand wie man auch sagt), versteckte morgens um fünf sein Auto im Wald auf der gegenüberliegenden Seite. Fluchthelfer Jakob ruderte ihn dann gekonnt mit dem Schlauchboot über die durch den Fluss verlaufende, deutsch-französische Grenze. Nach den langen Wochen des Hausarrests hatte der leidenschaftliche Angler beim Anblick des Wassers ein permanentes Lächeln im Gesicht. Dabeisein war für ihn gerade alles.

Leider kassierten wir auch die dritte Nacht einen reinrassigen Blank und so entschieden Jakob und ich spontan zu einem anderen großen, deutschen Fluss zu fahren. Einfach aus mangelnden Alternativen und weil Flüsse jetzt so hip sind (Spaß). Nach gut 200 Kilometern empfing uns dort mein Kumpel Stefan, der uns ein paar erfolgversprechende Stellen zeigte. In einem Bereich hatte er wenige Tage zuvor noch Karpfen gefangen und so hofften wir durch seine Infos, unseren drei Nächte Blank zu beenden.

Die Eisheiligen kündigten sich früh durch dunkle, tiefhängende Wolken an. Kaum hatten wir alles aufgebaut und die Ruten gelegt, öffnete sich der Himmel über unsere von der Sonne verwöhnten Gemüter. Es wurde arschkalt! Richtig ungemütlich, alles siffte ein und die auf der gegenüberliegenden Bundesstraße vorbeirauschenden Autos dröhnten noch ein paar Dezibel lauter auf dem nassen Asphalt. Die Stimmung konnte trotzdem nicht kippen. Bereits am ersten Morgen zerrte ein feister Flussspiegler an meiner Rute. Für mich der erste Karpfen aus diesem süddeutschen Fluss. Und nur wenige Stunden später durfte auch Jakob den für ihn ersten Karpfen aus diesem Fluss ziehen. Der krasse Wetterwechsel brachte die Wasserwelt ganz schön in Fahrt. Schnell zunehmende Strömung, Fischaktivität an der Oberfläche: Nach einer durchgängig verregneten Nacht fing ich morgens noch einen zweiten Karpfen und Jakob überlistete einen Hecht. YES! Geht doch!

Doch die braune, dampfende Suppe beendete leider kurz darauf ihre gönnerhafte Art und wir gab uns eine 24 stündige Verschnaufpause – bis Jakob zum Finale ansetzte. Den dritten Tag versüßten uns zudem noch Stefans Jungs, die auf Angeln Bock hatten, Papa aber leider ins Büro musste. Die Sonne zeigte sich und wir genossen den Tag so richtig nach den zwei eiskalten Regentagen. Während Jakob, Simon und der kleine Samuel unermüdlich versuchten Köderfische zu fangen, trocknete und organisierte ich bereits alles vor unserem anvisierten Platzwechsel hinter die Schleuse. Wie aus dem Nichts lief die von Jakob weiter entfernt gelegte Rute ab. Wir schauten uns alle ungläubig an – und rannten los! Durch die Brombeerhecke, den matschigen Hang hoch und den Damm runter: Der Fisch zog ruhig seine Bahnen in dem strömungsarmen Bereich während Jakob eine leichte Nervosität anzumerken war. Trotzdem überließ er den Kids das Keschern. Über den Maschenrand glitt ein markanter Spiegler mit großem Kopf und Narben auf seinen alten Flanken. Der Moment war perfekt!

Trotz dieses Fisches zog uns unsere Entdeckungslust noch an den Bereich hinter der Schleuse. Mit dem Schlauchboot und Benzinmotor machte ich mich zurück zum Auto, das an der Slipstelle geparkt war. Während ich alles verstaute, kümmerte sich Jakob noch um die Jungs, bis Mama Susi sie wieder abholen kam. Die Nacht am neuen Platz verlief leider ruhig und als am nächsten Morgen erneut der Regen kam, entschieden wir uns einzupacken. Unsere Wege sollten sich wieder trennen, Jakob zog es nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Karlsruhe nach Holland, während ich noch einen alten Kumpel besuchte und mit ihm noch ein paar Tage am Baggersee fischen sollte. Das war zwar weniger Abenteuer, dafür wurde aber mehr gegrillt.

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