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Hit the road Jake: Long way out

Hit the road Jake: Long way out | Hammer Tackle

Mit eisiger Faust umklammert
Den Horizont versiegelt
Kein Lüftchen, das zu mir wird tragen
Der Vögel einsamen Gesang

Es ist Ende März, ich sitze mit einem Kaffee im warmen Wohnzimmer und blicke gedankenverloren in die verregneten Straßen. In meinen Augen spiegelt sich eine Welt die kalt, nass, ja ganz und gar unwirtlich erscheint. Ich erschrecke immer wieder, wenn ich mir vor Augen führe, wie lange diese Melancholie schon anhält. Seit November ist das Leben geprägt von Restriktionen, einem Defizit an sozialer Interaktion und eingeschränkter Bewegungsfreiheit. Nicht einmal andere Studenten lernte ich kennen, im komplett online stattgefundenen Semester. Fast stört mich schon die Wärme des Wohnzimmer, strahlt sie doch eine Behaglichkeit aus, nach welcher ich in meinem Inneren vergeblich suche. Wie lange wird von uns noch erwartet sich einzureden, dass Online Unterricht eine ernsthafte Alternative im Studium ist? Dass man Soziale Kontakte doch auch via Skype pflegen kann und online Dating „the Way to go“ ist? Überall hängt Angst in der Luft. Sich dies dann noch gut zu reden scheint mir fatal. Trotzdem bemerke ich es überall, auch bei mir selber. Das eigene Potential nicht ausleben zu können, eine Tortur…

Alle paar Tage blinzelt dann doch die Sonne zwischen den Wolken hervor und lässt mich diese verrückte Welt für wenige Stunden vergessen. Am Fels kann ich den Frust in Kraft umwandeln, am Wasser tief durchatmen. Draußen zu sein ist wie Heilung für mich, ohne würde ich vermutlich durchdrehen. Jede Minute, die ich in Frieden in der Natur verbringe, zeigt mir auf, was mir eigentlich wichtig ist. Das Lebensgefühl, die Freiheit, der sportliche Ehrgeiz, das Eintauchen in eine Welt unter der Oberfläche, eine Welt die sich nicht nach dem Irrsinn der Menschen richtet.

Tage vergehen, Wochen verstreichen, der Frühling naht. An einem der ersten warmen Tage beschließe ich die Umgebung zu erkunden. War es zwar zuvor noch regnerisch und windig, so scheint heute nach einem frostigen Morgen die Sonne und zaubert ein Lächeln in mein Gesicht. Vögel zwitschern, blumiger Duft schwebt durch die Luft, in der Sonne reicht ein T-Shirt. Tief atme ich die frische Luft ein, welch eine Wohltat nach all den trüben Stunden. Ich fühle mich leicht, tanze auf den schmalen Wegen entlang des Wassers und erfreue mich meiner Vitalität.

An einem kleinen Baggersee, glasklar und von hohen Wohnblocks umgeben, kämpfe ich mich durchs Gebüsch. Tatsächlich erspähe ich einen Schuppenkarpfen im dichten Gehölz. Sofort bin ich mit einer Dose Mais zur Stelle. Schnell versehe ich einige Stellen mit einer Hand voll Futter und warte gespannt ab. Nur wenig später schlägt mir das Herz bis zum Hals, denn etwa acht verschiedene Karpfen fressen abwechselnd auf einer der kleinen Futterstellen. Das einzige Problem: Es ragen derart viele Äste ins Wasser, dass ich nur mit Müh und Not den Kescher ins Wasser tauchen können würde. Egal, das muss jetzt klappen. Mit zittrigen Händen lasse ich die Maiskörner an freier Leine absinken und halte die Luft an.

Es dauert ein paar Minuten, dann herrscht auf dem Platz wieder munteres fressen. Korn für Korn putzen die Karpfen den Platz leer. Plötzlich geht alles ganz schnell. Einer der kleineren Schuppis schießt nach vorne und inhaliert meinen Hakenköder. Der Anschlag sitzt und mit aller Kraft zerre ich den Schuppi in den Kescher. Endlich, der erste für dieses Jahr. Ich hätte mir keine bessere Art wünschen können, ihn zu fangen. Überglücklich mache ich Freudensprünge und lasse den nussbraunen Schuppi nach ein paar Bildern wieder schwimmen.

Zwei Tage später fuhr ich zu meinem Kumpel Moritz in das schöne Städtchen Görlitz. Hier bildet ein kleines, malerisches Flüsschen die Grenze zu Polen. Klar, dass ich einen Versuch starten musste. Spät abends kam ich nach drei Stunden Fahrt an. Schnell verteilte ich meine zwei Ruten im Kehrwasser oberhalb eines Wehrs, fütterte eine große Hand halbierte Boilies und legte mich aufs Ohr. Beim einschlafen stellte ich mir noch vor, wie schön es doch wäre, so gegen 8.30Uhr von einem schönen Spiegler geweckt zu werden. Nein, solche Erwartungen will ich gar nicht haben, sagte ich mir und schlief erschöpft ein. Die Nacht verlief ruhig und mit der aufgehenden Sonne war auch ich wieder auf den Beinen. Gut gelaunt bestaunte ich die Umgebung, denn nur wenig flussauf kreuzt ein riesiger Viadukt den Fluss. Was eine traumhafte Kulisse.

Die Sonne im Gesicht fläze ich mich auf die Liege und döse bei Vogelgezwitscher allmählich wieder ein. Es war kurz vor Neun, als aus dem nichts ein gnadenloser Vollrun meine morgendlichen Verträumtheit verpuffen lässt. Etwas ungläubig, denn einen Biss hatte ich nicht mehr erwartet, drille ich mit schlackernden Knien den wütenden Kontrahenten. Kurz vor dem Kescher wird mir bewusst, dass da tatsächlich der Karpfen, von dem ich mir zu träumen gestern nicht erlaubt hatte, am Haken hängt. Verrückt !!

Kurze Zeit später traf auch Moritz ein und wir feierten den Fisch. Kaffee floß in solchen Strömen, dass wir den restlichen Tag mit einer nicht zu bändigen Energie durch das Weltgeschehen wuselten. Der kleine Traum vom perfekten Bild vor dem Viadukt wurde natürlich erfüllt und das dicke Grinsen wich mir so schnell nicht mehr aus dem Gesicht. Was ein genialer Morgen nach so einem langen, kalten Winter…

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