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Hit the road Jake: Zeichen der Zeit

Hit the road Jake: Zeichen der Zeit | Hammer Tackle

16 Tage Abenteuer wurden durchlebt, ehe der Opel ein letztes Mal mit einem Berg durchnässten und stinkenden Equipment beladen wurde und uns mit erschreckend leerem Tank bald über Landstraßen, Fahrradwege und Schotterpisten in Richtung Heimat beförderte.

Natürlich wurde das nasse Zelt getrocknet, alle Schuhe gründlichst geputzt und sämtliche Wäsche gewaschen. Naja, im Laufe der Woche nach der Heimkehr. Selbstverständlich wäre es auch absolut berechtigt anzunehmen, dass nun die dringend benötigte Angelpause eingelegt wurde, ohne welche die brennende Flamme der Passion langsam wie ein Holzfeuer im vollständig geschlossenen Kaminofen ersticken würde. Tja lieber Leser, du ahnst es bestimmt. Ohne Witz und Sarkasmus, wäre dann das Leben nicht grau und trist wie ein verregneter Novembertag ?

Wie dem auch sei, die erste Nacht nach Ankunft in der Heimat wurde (natürlich erfolglos) am Wasser verbracht. Zu befremdlich war das wohlige Gefühl eines warmen Zimmers und weichen Decken, wenn man zuvor einen halben Monat in einem kleinen Zelt nächtigte, eingerollt in einen von Feuchtigkeit durchzogenen Schlafsack, wachgehalten von am Zelt zerrenden Windböen.

Einige Tage zogen ins Land, doch nach und nach stellte sich das Gefühl von Alltag wieder ein. Morgens klingelt der Wecker, ein Kaffee lässt die restliche Müdigkeit verpuffen und der zweite bringt die Energie für den Tag.

Mittlerweile zeigte sich auch die Natur in ihrem Frühjahrsgewandt: Prächtig blühende Sträucher und Blumen in allen Farben, zwitschernde Vögeln mit ihren fröhlichen Melodien und saftig grüne Wiesen, zu zeitlosen Spaziergängen einladend. Hochgewachsene Weizenfelder wehen anmutig im Wind, das Gelb der Rapsfelder fesselt den Blick des gedankenversunkenen Wanderers und durch die hellgrünen Blätter fallendes Sonnenlicht tüncht alles in einen gold-grünen Schleier.

Angeheitert durch diese Pracht konnte auch ich nicht anders, als jede freie Minute des Tages zu nutzen. Eine starke Energie durchströmte mich jeden Morgen und ließ mich kaum zur Ruhe kommen.

Zum aktiven Alltag passend und für ein kommendes Projekt im Sommer, begann ich ein urbanes Gewässersystem zu erkunden. Im ersten Licht wandelte ich durch verlassene Parks, erfreute mich am Gesang der Vögel und beangelte kleine Kanäle und Flüsschen. Ich hoffte auf modrige, urige Spiegler.

Um so mobil wie möglich zu sein, minimierte ich die Angelausrüstung radikal. So konnte ich mit dem Rennrad große Stadtgebiete schnell erkunden und hatte außerdem die Möglichkeit bei größeren Strecken auf die Bahn zurückzugreifen.

Tatsächlich kam ich schnell zum Erfolg. Choddys, Dosenmais und ein waches Auge war das Erfolgsrezept. Jedoch musste ich feststellen, dass sich der Bestand überwiegend aus kleineren Satzkarpfen zusammenstellte. Nicht gerade das, was mich reizt. Wie dem auch sei, um spaßige Stunden zu erleben müssen sie nicht immer wild und unbeangelt sein.

Zeitgleich begann ich einen großen Baggersee für den kommenden Vollmond zu befüttern. Zwar war ich hier noch nie zuvor angeln, der Zeitpunkt für eine Premiere war jedoch perfekt. Der Wind blies konstant aus Westen in eine große Bucht und ein ebener Bereich in 5 Meter Tiefe schien mir prädestiniert. Mit dem Futterrohr verteilte ich täglich etwa zwei Kilo Boilies, großflächig gestreut. Alle Faktoren, welche ich in meinen kleinen Plan einfließen ließ, spielten mir perfekt in die Karten und so wurde ich mit jedem Tag nervöser. Als beim letzten mal Füttern dann noch ein großer Fisch nur unweit von meinem Platz rollte, war mir klar: Das hier könnte so richtig gut werden!

Mit gemischten Gefühlen baue ich im Abendlicht das Brolly auf, stecke die Ruten zusammen und binde frische Rigs. Mir ist komisch zumute, der starke Wind fährt mir bis in die Knochen und mein Bauch grummelt. Klar, es war ein langer, ermüdender Tag. Am morgen riss ich bereits 50 Kilometer mit dem Rennrad runter, danach saßen Moritz und ich den ganzen Tag vor dem Laptop, resümierten und diskutierten den Roadtrip. Kein Wunder also, dass ich mich nicht gerade frisch fühle. Doch das war es nicht: Die aufgetürmten Wolken wirken wahnsinnig bedrückend. Formationen wie ich sie nie zuvor gesehen habe, mit eigenartig bläulichen Farben. Zeitgleich zu dieser unnatürlichen Wetterlage hier in Deutschland werden am Rande der Arktis Temperaturen von über 30 Grad gemessen. Gedanken jagen durch meinen Kopf, leichte Panik kommt in mir auf und meine Stimmung scheint fast zu kippen.

Noch jetzt, beim schreiben dieses Blogs kommen sehr bedrückende Gefühle in mir hoch, wenn ich an diesen Abend denke. Es ist leichtfertig anzunehmen, dass unsere Normalität für immer bestehen bleiben wird. Die Zeichen der Zeit deuten für mich in eine ganz andere Richtung. Die Blase, in der wir uns bewegen, schrumpft merklich. Jener Vollmondabend ließ mich das ganz besonders spüren. Es stimmt mich immer trauriger, mit welcher Arroganz wir Menschen uns durch das Zeitgeschehen bewegen und es fällt mir immer schwerer dem Leben mit jener Leichtigkeit zu begegnen, welche ich eigentlich verkörpern und leben will. Bitte bleibt feinfühlig für die Zeichen der Zeit und vergesst nicht, dass Karpfenangeln nur ein Teil des Lebens ist. Auch wenn es manchmal die Pforte zu einer Welt ist, in der man Antworten auf essentielle Fragen finden kann. Bevor ich mich jedoch in Gedanken verliere, kehren wir zurück zu jenem Abend unter dem hell leuchtenden Vollmond.

Schnell werfe ich die Ruten aus, beide bestückt mit großen Waftern, dann koche ich mir eine dringend benötigte Stärkung. Augenblicklich geht es mir besser und auf der Liege sitzend, kann ich endlich tief durchatmen. Doch nur Sekunden später schreit ein Bissanzeiger los.

Der Fisch steht schwer in der Rute und zieht unbeeindruckt seine Bahnen. Unaufhaltsam schwimmt er immer weiter nach rechts, reißt Schnur von der Rolle und sitzt plötzlich fest. Das darf jetzt doch nicht wahr sein! Ganz klar spüre ich, wie die Schnur an Ästen und Kraut entlang reibt. Mir schlackern die Knie, laut fluche ich vor mich hin. Doch Stück für Stück gelingt es mir meinen Kontrahenten, wieder aus dem Dschungel zurück zu pumpen. Gerade als ich spüre wie er frei kommt, schnellt meine Rute nach hinten. Wie gelähmt kurble ich ein, das Vorfach ist zerfetzt.

Um die Ereignisse der Nacht kurz zu fassen. Bis zum folgenden Mittag bekam ich acht weitere Bisse, wovon ich nur vier Fische landen konnte. Jene, die ich fing, kämpften bei weitem nicht so stark und allesamt, bis auf einen, waren es kleinere Spiegler.

Alle Fische, die ich verlor, rissen mir dafür unbarmherzig Schnur von der Rolle, fühlten sich schwer an und zerfetzten meine Vorfächer. Und das obwohl ich wirklich robuste Materialien einsetzte. Die Session glich einem absoluten Albtraum. Mies gelaunt packte ich am nächsten Mittag ein, meine Nerven lagen blank. Rückblickend sehe ich mit gemischten Gefühlen auf diese Nacht zurück. Natürlich ist es klasse, dass der Plan mit neun Bissen so gut aufging. Doch ich will mir nicht ausmalen was da alles am Haken hing. Naja, diese Pleite muss geschluckt werden und sobald das Wasser ein bisschen wärmer ist, wird es Zeit einen Blick unter die Oberfläche zu werfen. Ich bin gespannt…

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