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Shutdown Fishing: Ein spontaner Roadtrip durch Deutschland

Shutdown Fishing: Ein spontaner Roadtrip durch Deutschland | Hammer Tackle

Lebhafter Wind rüttelt mich früh am Morgen aus dem Schlaf. Das aufgespannte Tarp löst sich nach und nach, denn im feinen Sediment der Sandbank finden die kurzen Heringe kaum Halt. Durch verschlafene Augen schweift der Blick über das sich kräuselnde Wasser und wird sich allmählich der Idylle dieser Oase bewusst. War es in der Nacht noch angenehm Windstill und kühl gewesen, brennt schon jetzt die Sonne erbarmungslos auf den Altarm herunter. Zumindest der Wind verspricht ein wenig Kühlung.

Nach und nach erinnere ich mich, wo ich eigentlich gelandet bin. 700 Kilometer befinden sich aktuell zwischen mir und meiner Heimat. In vergangenen Zeiten wohl nichts Außergewöhnliches, aktuell jedoch, in dieser ungewöhnlichen und verwirrenden Situation, keine banale Angelegenheit. Trotz der Schwierigkeiten hatte ich mich vor einigen Tagen auf den Weg in Richtung Ostdeutschland begeben.

Eigentlich hatte ich dieses Frühjahr eine größere Tour durch Frankreich und Holland geplant. Das gleiche Vorhaben hatte auch mein Freund David Rosemeier gehabt. Uns beiden war jedoch schnell klar geworden, dass solche Pläne in naher Zukunft kaum umsetzbar sein würden. Fieberhaft nach einer Lösung suchend, kamen wir zum Entschluss, dass einzig noch in Deutschland die Möglichkeit bestünde, das Vorgenommene zumindest teilweise in die Tat umzusetzen.

Den Entschluss, in diesen Tagen einen Roadtrip zu unternehmen, mag sicherlich manch einer kritisieren. Ich muss dem allerdings hinzufügen, dass ich in Bayern einen Auftrag als Fotograf hatte, weshalb ich mich teilweise aus beruflicher Hinsicht auf den Weg machte. Dennoch, nach meinem persönlichen Empfinden war es keineswegs ein Vergehen. Vielmehr barg es einige belustigende Vorteile, denn unsere sonst so verstopften Autobahnen fand ich gänzlich ausgestorben vor.

Kalte Zeiten am Kanal

Der Main-Donau Kanal bot David und mir einen guten Startpunkt für das Unterfangen. Dieser Kanal zieht sich über viele Kilometer durch Bayern, unterbrochen von zahlreichen Schleußen, und verfügt quer durch die Bank über einen sehr guten Fischbestand. Glücklicherweise gelang es uns, über einen guten Freund, an Angellizensen zu gelangen. Die folgenden Tage stellten uns anglerisch jedoch vor manch eine Herausforderung. In unserer ersten Angelnacht fielen die Temperaturen weit hinter den Gefrierpunkt. Zudem befanden wir uns zeitlich am Ende des Schleußenstops, wodurch sich die Bewohner des Kanals durch die fehlende Wasserbewegung größtenteils lethargisch verhalten und fast gänzlich auf das Fressen verzichten. Lediglich die gleisende Sonne weckte in mir die Vermutung, in flacheren Wendebecken Fische anzutreffen. Zu den erschwerten Bedingungen gesellten sich außerdem zahlreiche Angler an den Ufern des Kanals. Für mich etwas Befremdliches, komme ich doch aus einer Gegend mit reichlich Angelgewässer. Hier war das Gegenteil der Fall: Die Gegend verfügt über nur wenige wirklich interessante Angelreviere und beherbergt dazu extrem viele Karpfenangler.

Um dem hohen Angeldruck aus dem Weg zu gehen kam also nur Folgendes in Frage: Einzelne Hookbaits dort präsentieren, wo nur die Wenigsten hinwerfen würden war die Devise.

Für die folgenden zwei Tage und bis zum Ende der Schiffahrtssperre erwies sich diese Vermutung als goldrichtig. Denn obwohl ein Großteil, der derzeit aktiven Anglern, mit trockenen Keschern heimkehrten, gelang es uns zumindest ein paar kleinere Karpfen zu fangen.

Dramatisch wandelte sich alles, als der Kanal aufs Neue von schwerbeladenen Containerschiffen durchpflügt wurde. Augenblicklich war klar, dass sich auch das Verhalten der Karpfen ändern würde. Zudem stiegen die Temperaturen an diesem Wochenende auf fast 20 Grad, das bei lebhaftem Wind. In weiser Vorraussicht fuhren wir an ein komplett anderes Stück Kanal, um einen weitläufigen Bereich vor einer Schleuße zu beangeln.

Tatsächlich färbte sich das Wasser von Stunde zu Stunde immer trüber. Kein Wunder also, dass auch die erste Aktion nicht allzu lang auf sich warten ließ. Es war erstaunlich zu beobachten, wie am zweiten Tag bei gleichbleibenden Bedingungen immer häufiger Bisse kamen und auch der erste Dreißiger einstieg.

Im Trüben Wasser hatte meine Single-Hookbait Strategie natürlich keine Perspektive. So begann ich vorsichtig einige Bereiche in Entfernung zu befüttern, die ich gerade noch mit der Spomb erreichen konnte. Teigbrocken, Dosenmais und halbierte Boilies erfüllten ihren Zweck in dieser Situationen hervorragend. Trotzdem schien es, als ob die Karpfen noch sehr vorsichtig fraßen, denn jeder Fisch hing extrem knapp. Ich führte es auf das immer noch sehr kalte Wasser und den Angeldruck zurück. So fischte ich fortan mit aufs Äußerste geschärften Haken an feinen Rigs. Etwas riskant war das durchaus, denn der Kanalgrund ist förmlich gepflastert von Schrott wie Fahrrädern, Einkaufswägen und Anderem. Um einige Ausschlitzer kam ich deshalb leider nicht herum, was mich allerdings nicht sonderlich ärgerte. Vielmehr freute ich mich über die konstante Aktion, denn viel gefangen wurde ansonsten nach wie vor nicht. So rapide die Aktivität auch gekommen war, so plötzlich kehrte wieder Totenstille ein. Offensichtlich hatte ich den Bereich um die Schleuße gänzlich ausgeräuchert.

Solche Situationen hatte ich bereits des Öfteren auf meinen Reisen erlebt. Oft liegt es nahe, frustriert auszuharren. Doch kann ich ein jedem nur ans Herz legen, dies vielmehr als gute Gelegenheit zu nutzen, aufzubrechen um andere Orte aufzusuchen. Mir gibt es die größte Genugtuung an möglichst vielen Orten gewesen zu sein und immer aufs Neue das Beste aus der gegebenen Situation gemacht zu haben.

Sehr spontan verabredete ich mich also mit meiner besten Freundin in Leipzig. Mit der Fahrt nach Leipzig entwickelte sich aus dem Treffen mit David ein Roadtrip. Noch am Vorabend hatte ich daran gedacht, wieder nach Hause zu fahren. Doch genau solche unerwarteten Wendungen bergen eines der größten Freiheitsgefühle des Reisens.

So liege ich nun hier auf einer Sandbank der Elbe und lasse die vergangenen Stunden Revue passieren. Am vergangenen Mittag hatte ich meinem Opel in Richtung der Elbregion gesteuert. Auf verlassenen Landstraßen hatten wir zumindest einen kleinen Teil Ostdeutschlands erkundet. Mit der tiefer stehenden Sonne waren wir an diesen Altarm der Elbe gekommen, lediglich zugänglich über einige kaum befahrbare Feldwege. Gesäumt von alten Weiden, Sandbänken und angespülten Bäumer lag das Elbwasser paradiesisch vor uns. Einige Gänse schnatterten im rötlichen Abendlicht, ansonsten befanden wir uns in absoluter Stille und Abgeschiedenheit. Im Licht der letzten Sonnerstrahlen sah ich immer wieder Brassen rollen. Offensichtlich versammelten sie sich im flachen Altarm um zu laichen. Würden sich auch hier, wie so oft, die Karpfen dazugesellen? Vorsichtig platzierte ich einzelne Popups und fütterte nur wenige Boilies hinterher. Wenn ich eine Sache aus den vielen Sessions beim Reisen gelernt habe, dann dies, dass ich mich mittlerweile auf meine Intuition und ein geschärftes Auge verlassen kann. Sollte mir das Glück zuteil werden, tatsächlich meinen ersten Elbkarpfen zu fangen?

Mit dem Untergehen der Sonne spannten wir unser Tarp auf der Sandbank auf und breiteten Isomatten und Schlafsäcke aus. Als ich die Böschung erklomm um noch etwas aus dem Auto zu holen, schwebte plötzlich ein riesenhafter Blutmond vor mir. Wie ein brennender Ball stieg er groß und hell am Horizont auf. Staunend standen wir wie versteinert da, unfähig uns von der magischen Erscheinung loszureißen. Wärend wir ausführlich das seltene Spektakel verfolgten, kroch uns die abendliche Kühle unter die Jacken. Wir machten ein Feuer aus Treibholz, tranken ein gekühltes Bier und unterhielten uns angeregt bis tief in die Nacht. Begleitet wurden unsere leisen Gespräche vom immer höher aufsteigenden Vollmond, der nun die Szenerie in sein kaltes, klares Licht kleidete.

In den frühen Morgenstunden fand ich mich mit gebogener Rute am Ufer wieder. Barfuß versuchte ich dem wütenden Kämpfer zu folgen. Doch ich gab schnell auf, denn die unzähligen Muschelschalen machten das Entlanghasten zu einer nicht auszuhaltenden Tortur. Einige Minuten und einige rasante Fluchten später wälzte sich mein erster Elbschuppi in der Sling. Ohne meinen Kescher, der mir in der Urbanität am Kanal geklaut worden war, musste ich Geschick und Improvisation walten lassen.

Beim Bewundern des makellosen Schuppis registrierte ich, dass die Schnur der zweiten Rute in eine gänzlich andere Richtung zeigte als ursprünglich. Mein Verdacht bestätigte sich: Ich Schnarchnase hatte vergessen den Bissanzeiger einzuschalten. Über hundert Meter in Richtung des Hauptstroms folgte ich der Schnur, bis ich sie in einer Wurzel verfangen vorfand. Halb schwimmend, halb tauchend riss ich die Wurzel aus und befreite die Schnur. Tatsächlich spürte ich einen Karpfen am anderen Ende. Der restliche Drill verlief problemlos und ich freute mich riesig über meinen zweiten Elbkarpfen.

Noch bevor es zu heiß wurde, beschlossen wir, uns von dieser Oase zu verabschieden und weiterzuziehen. Nach einem kurzen Stop in Dresden, dort verabschiedete ich meine Bekannte, machte ich mich auf den Rückweg. Obwohl es durchaus ein Umweg war, konnte ich es mir nicht verkneifen meinem Buddy Felix einen kurzen Besuch abzustatten. Über die Zeit hatten wir uns dick angefreundet, maßgeblich durch unsere gemeinsame Begeisterung, auf Alles zu angeln was Flossen hat.

Warme Sonnenstrahlen fielen am letzten Abend durch die Weiden, welche die Ufer des mäandernden Flüsschens säumten. Schmetterlinge flatterten durch die milde Abendluft, Stechmücken surrten um uns herum und von Zeit zu Zeit brachen gewichtige Döbel und Karpfen durch die Wasseroberfläche. Um uns herum lag alles friedlich und still da, lediglich wenn die Bissanzeiger ertönten stieg der Puls etwas an. Nichts deutete auf den zeitgleich so hektischen Verlauf der Weltgeschehnisse hin. Mittlerweile hatte ich vergessen, welche Rhythmen im Alltag herrschen. Mit der untergehenden Sonne kam Müdigkeit auf, mit jedem Sonnenaufgang erwachte ich und die Natur um mich herum.

Inspirierende Gespräche und Begegnungen mit Menschen bringen mich oft weiter als viele Wochen im Alltagstrott. Reisen, mit ihren unerwarteten Wendungen und Ereignissen, fühlen sich im Nachhinein bereichernder an als manch turbulente Zeit in heimischen Gefilden. Sich frei von Erwartungen und festen Vorstellungen auf den Weg zu begeben, sich immer wieder aufs Neue in verschiedenen Situationen zurechtzufinden und das Unbekannte zu jagen – das ist jene Freiheit im Angeln, die mich inspiriert und welche ich in den letzten Jahren so sehr zu schätzen lernte.

Jakob Mehltretter

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