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Hit the road Jake: Ein Sommernachtstraum

Hit the road Jake: Ein Sommernachtstraum | Hammer Tackle

Mir ist als wäre ich dieses Jahr ein bisschen in den Sommer getaumelt. Reingestolpert sozusagen, ohne genau zu wissen wohin die Reise eigentlich geht und gleichzeitig ein wenig verwundert über alles. Ja, „wunderlich“ würde meinen Gemütszustand ganz gut beschreiben.

Mein Kopf scheint immer noch auf Windböen und Regenschauer programmiert zu sein, doch die warme Sonne, welche mich morgen für morgen weckt, verkündet anderes. Nachmittags, wenn die Hitze dann richtig drückt, komme ich mir etwas weich in der Birne vor. Nein, so richtig im Sommer angekommen war ich bis vor kurzem noch nicht.

Nach der desaströsen Vollmondnacht, wer hätte es auch anders erwartet, war mein Ehrgeiz vorerst gebrochen. Mein Kopf verfügt offensichtlich über einen Schutzmechanismus, der in kritischen Momenten jegliche Gedanken ans Angeln eliminiert. Leider auch jegliche andere neuronale Aktivität, was sich durch einen nicht zu stoppenden Schwall Blödsinn erkenntlich macht, den ich in solchen Phasen von mir gebe. Glücklicherweise verschwendete auch Familie Carpio keinen Gedanken an ausgiebige Boilie-Buffets, widmete sich dafür mit vollster Leidenschaft der Zeugung von Nachwuchs.

Schwindet der verbissene Eifer des Angelns, so schafft dies Raum für Wahrnehmungen anderer Art. Wiederum kann nun ein neuer Gast unsere Bühne betreten kann. Leichtfüßig wird man von ihr umtänzelt, wohlwollend fährt sie durch das offene Haar und ab und zu zaubert sie einem sogar einen prickelnden Schauer auf den Rücken. Schwerelos trägt sie einen bei Spaziergängen entlang der Ufer, lässt die saftigen Weizenfelder Wellen schlagen und ist Bote der schönsten Gerüche.

Erkennst du Sie? Es ist die Sommerbrise, unvergleichlich freundlich und schmeichelhaft. Es kommt gar vor, dass sie einem Erinnerungen zeigt, welche man für längst vergessen hielt.

Wie war es denn nochmal, damals mit 5 Jahren. An einem warmen Junimorgen im Schlafsack aufzuwachen, die Wiese taufeucht, den Geruch von Papas Kaffee in der Nase und der warmen Morgensonne auf den roten Bäckchen. Voller Stolz über die Rotaugen und Döbel, die ich gestern ganz alleine gestippt habe. Und dann der Hecht mit all seinen spitzen Zähnen, dem heute Morgen eines der Rotaugen zum Verhängnis wurde.

Oft ist es doch die Fähigkeit sich für jene, manch einer würde sagen, „banalen“ Sachen zu begeistern, welche die kindliche Leichtigkeit zurück bringt, nach der wir uns allzu oft sehnen. Die prächtigen Farben eines Schmetterlings zu bewundern, gemeinsam über einen dummen Witz zu lachen oder ein Stück auf dem Feuer gebratenen Barsch als unvergleichlich lecker zu schätzen.

In solchen Wochen liegt es mir fern, das Angeln besonders Zielorientiert zu betreiben. Damit meine ich irgendwelche Futterplätze zu pflegen und einen genauen Überblick zu bewahren, was sich an den Ufern abspielt. Viel eher schätze ich die Freiheit, ganz nach Lust und Laune Angeln zu gehen, welche ich mir durch diese Ungebundenheit zugestehe. Nicht selten kommt es vor, dass mir ein Abend als besonders fängig erscheint und ich spontan beschließe, die Nacht am Wasser zu verbringen.

Juni Abende könne ein unvergleichliche Magie innehaben. Besonders am Ufer eines Flusses. Mit der abendlichen Kühle scheint ein wahres Aufatmen stattzufinden. Die fast untergegangene Sonne tüncht die Kulisse in ihr letztes, ganz besonderes Licht. Ein leichter Wind trägt einem die vielfältigen Gerüche der Umgebung zu und zahllose Weißfische plätschern leise an der Wasseroberfläche. Das Surren der Mücken fehlt natürlich nur in den seltensten Fällen, doch allzu oft verderben die kleinen Plagegeister die Romantik des Moments. Zur Flucht gezwungen verkriecht man sich so unter dem schützenden Moskitonetz. Hier lässt es sich zumindest ungestört verweilen und auf den Biss in den frühen Morgenstunden hoffen.

Auf diese Phase des Tages lege ich auch meine Angelei aus. Gerade am Fluss ist es immer gut möglich, früh morgens einen Karpfen auf seiner Zugrute abzupassen. Natürlich werde ich so keinen Fangrausch erleben, wie es auf einem Futterplatz oder im richtigen Bereich vor der Laich der Fall sein kann. Dafür bietet es mir die Möglichkeit mit absolutem Minimalaufwand zu durchaus Freude bringenden Erfolgen zu gelangen.

Eine taktisch gut gelegene Stelle und zwei Ruten an der eigenen Uferkante reichen in solchen Situationen auch völligst aus. Die erste Rute lege ich recht nah. Die Zweite meist etwas weiter draußen, am Fuß der Kante. Damit nun die Schnur der weiten Rute nicht über den Köder nah liegenden Rute läuft, fische ich beide Ruten etwas versetzt. In der Praxis liegt die nahe Rute also einige Meter weiter Flussab. Zudem stelle ich die Ruten immer ein Stück oberhalb der eigentlichen Angelstelle auf, damit die Schnüre mit der Strömung laufen und sich der Druck so minimiert. Zwei ordentliche Hände Boilies, als Streifen über beide Ruten gefüttert, vervollständigen das ganze Hexenwerk.

Wie auch das Flusswasser in friedlicher Gleichmäßigkeit hin und her schwappt, werden wohl die nächsten Wochen ins Land ziehen. Gewiss mit Gelassenheit, hervorgerufen durch die Annehmlichkeiten des Lebens, welche wiederum von der Sorglosigkeit des Sommers getragen werden. Gebannte Fußballfans tragen die Flamme der Hoffnung und entzünden damit nebenbei ihre Feuerstellen, welche kurze Zeit später jenen unverkennbaren Grillgeruch in die Lüfte schicken. Angeregtes Geplauder und Straßenmusik strömt durch die von Kaffees gesäumten Gassen, wohlwollend das romantische Getuschel der schmusenden Pärchen überdeckend. Arm in Arm und mit träumerischen Blick ins Abendrot blickend, werden hier kleine Geheimnisse geteilt, zu welchen um Zugang zu bitten der Erzähler für ganz und gar ungeniert hält. Auch die flinken Schwalben, deren aufgeweckter Ruf unsere kleine Kulisse zur Vollständigkeit bringt, scheinen in einem endlosen, durch pure Lebensfreude angetriebenen Fangspiel vertieft.

Ach Sommernachtstraum, bleib gerne noch ein Weilchen.

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