In den meisten Jahren beende ich meine Karpfenangelsaison um Mitte November, wenn die Wassertemperatur einstellig wird und die ersten Hochwasserwellen den Fluss runterrollen. In die Karten spielte mir hierbei natürlich auch, dass ich oft das große Glück hatte, in der südlichen Hemisphäre dem Fliegenfischen nachzugehen – und so dem nassen, kalten europäischen Winter zu entkommen.
Leider war mir dieses Glück in diesem Jahr nicht beschieden und so entschied ich mich, eine „Mission Winterkarpfen“ durchzuziehen und dadurch hoffentlich eine Winterdepression zu vermeiden.
Ausgesucht habe ich mir hierzu zwei recht verschiedene Baggerseen. Zum einen wäre da der „Kleine Cassien“, wie der See früher in der Szene gerne genannt wurde. Warum? Als ich noch Jungangler war, es muss so um 2010 herum gewesen sein, war dieser See das absolute Szenegewässer meiner Stadt. Es gab dort Fische bis über 30 Kilo und er wurde das ganze Jahr hindurch intensiv gefüttert und befischt. In den frühen 2000ern fuhren Angler aus aller Herren Länder gezielt hierhin, um vom außergewöhnlichen Fischbestand zu profitieren. Der daraus resultierende, konstante Angeldruck führte letztendlich zur Bezeichnung „Kleiner Cassien“.
Mein freund Fred mit einen der Großen Fische dort Anfang der 2000.
Was sich jedoch schlagartig ändern sollte. Denn leider wurden um 2012 herum sehr viele der großen Fische geklaut und in private Seen umgesetzt. Manche davon fanden sich auf Bildern eines Enduro wieder, die stolz in einem Karpfenforum präsentiert wurden.
Mit den nunmehr fehlenden Großfischen wurde der Angeldruck stetig geringer, bis der komplett in Vergessenheit geriet – auch bei mir … Zumindest, bis ein Freund vor zwei Jahren – eigentlich beim Raubfischangeln – mit Schwimmbrot einen leeren, aber brutalen Schuppenkarpfen mit über 25 Kilo fing. Meine Aufmerksamkeit war geweckt!
Um den See in aller Kürze zu beschreiben: Es handelt sich um einen 18 Hektar großen, für unsere Region typischen Baggersee, wie sie beim Bau der Autobahn zuhauf entstanden sind. Ich möchte mal behaupten, die Durchschnittstiefe liegt bei etwas 10, die maximale Tiefe bei 20 Metern. Dicht stehendes und üppig wachsendes, ganzjähriges Kraut wächst bis in eine Tiefe von ungefähr 8 Metern. Der Untergrund gleicht einem Motocross-Gelände – es geht rauf und runter.
Schon Mitte Oktober begann ich damit, das Angeln dort vorzubereiten. Hierzu ging ich besonders an Feiertagen und Wochenenden dort spazieren, um zu sehen, ob und wo noch geangelt wird. Erstaunlich war, dass die wenigen Angler, die ich überhaupt zu Gesicht bekam, scheinbar allesamt am gleichen Platz angelten: am Parkplatz. Es ist mir wieder einmal unbegreiflich, wie faul Karpfenangler sind.
Früh morgens und abends konnte ich öfters Fische rollen sehen und meine Recherchen liefen dahingehend zusammen, dass ich, sobald es kalt werden würde, das Gewässer wahrscheinlich für mich alleine hätte – ein immenser Vorteil für einen bekennenden Futterplatzangler wie mich. Einmal deshalb, weil man natürlich ungerne die Arbeit für andere Angler macht und zweitens, weil bereits ein zweiter Futterplatz zu viel Nahrung im kalten Wasser bedeuten kann; absolut kontraproduktiv also.
Meinen Platz wählte ich so, dass mein Ufer den Südwestwind abbekommen würde. Hier begann ich dann am 10. November bei 13 Grad Oberflächentemperatur zu füttern. Mit der Futterkelle verteilte ich hierzu auf einer Kante, die von 8 auf 14 Meter Tiefe abfiel, jeden zweiten Tag zwei Kilo Leber-Boilies – ganze sieben Mal.
Um den 20 November herum wurde es wie aus dem Nichts eiskalt und es schneite. Aber das war nur der Anfang, denn bereits zwei Tage später waren milde 15 Grad mit leichtem Südwestwind angesagt. Das perfekte Angelwetter also. Darauf hatte ich gewartet!
Am frühen Nachmittag des 25. Novembers fuhr ich endlich zum Fischen an den See. Der Wetterbericht hatte sich nicht geirrt und es war tatsächlich zwei Tage lang regelrecht warm. Meine drei Ruten staffelte ich auf 8, 10 und 14 Metern Tiefe über das Futterfeld verteilt und fütterte jeweils nur 10 zusätzliche Boilies pro Rute. Gespannt auf das, was kommen würde, genoss ich anschließend die letzten Momente bei Tageslicht
Kaum war es dunkel, fing es auch schon an zu beißen. Zuerst fing ich zwei kleine Schuppis auf dieselbe Rute auf 10 Metern. Gegen 19:00 lief dann die tiefste Rute ab – und der Fisch fühlte sich direkt schwerer und langsamer an. Im Schein der Kopflampe konnte ich kurz darauf einen schönen, runden Spiegler ausmachen.
Ich fütterte etwas nach, warf die Rute mit einem neuen Rig aus … und hatte kaum Zeit, mir einen Tee zu kochen, denn dieselbe Rute lief schon wieder ab. Und wieder war es ein schöner Spiegler. Einfach nur krass … kaum acht Stunden hier und ich hatte schon vier Fische gefangen! Das passende Wetter entfaltete also seine volle Wirkung.
Mein Kumpel Antoine kam mit Abendessen vorbei und lichtete mir die Fische ab. Beide Spiegler sahen recht jung aus und zeigten Anzeichen von deutlichem Potential. Der größere der beiden hatte satte 19 Kilo.
Bis zum ersten Tageslicht konnte ich noch vier weitere, kleine Fische zwischen 8 und 12 Kilo fangen, die ich, bis auf eine Ausnahme dank einer Regenpause, direkt wieder schwimmen ließ.
Aber auch später sollte es nicht ruhiger werden. Zwar war zwischenzeitlich eine kleine Pause eingetreten, als ich aber um circa 10:00 vom Hunger von der Liege getrieben wurde und mir ein paar Eier in die Pfanne haute, bekam ich wieder einen Biss. Das Resultat war ein Schuppenkarpfen mit einer Färbung, wie ich sie bis dato noch nie gesehen hatte. Hinzu kam nur wenige Minuten später noch ein weiterer Schuppi.
Das war es also: ein absolut unerwartetes Resultat von zehn Fischen in weniger als 24 Stunden. Besonders positiv überraschte mich dabei, dass jeder einzelne Fisch komplett clean war. Keiner hatte irgendwelche Verletzungen an Maul oder Flossen von anderen Anglern.
Ebenso glücklich macht mich der Umstand, dass der See einen ebenso guten Fischbestand wie früher zu haben scheint. Jetzt gilt es nur noch, herauszufinden, ob das Gewässer auch ohne den erhöhten Futtereintrag noch genauso große Fische produzieren kann. Von einem weiß ich ja bereit, ich vermute aber stark, dass dies einer aus dem Altbestand ist. Um Tatsachen zu produzieren, muss und werde ich weiter angeln. Aktuell habe ich schon damit begonnen, einen anderen Platz vorzubereiten. Ich werde noch diese Woche darauf fischen – es bleibt also spannend.
Bis zum nächsten Mal!
Euer Guido
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